Stumme Wut

Standard

Ich habe in den letzten Wochen versucht einige Themen, die mich sehr beschäftigen in Blogeinträge zu verwandeln, in der Hoffnung, dadurch Ordnung in mein inneres Chaos zu bekommen. Doch es wollte und will mir nicht gelingen, Worte zu finden, die prägnant meine Ansichten darstellen.

Ein Thema wäre beispielsweise gewesen „Zwischen Rabenmutter und Glucke“. Als ich mit meinem Mann darüber sprach, dass ich es nicht schaffte, auf den Punkt zu kommen, meinte er (herrlich prägnant, vielen Dank dafür!): „Kein Wunder, das ist ja auch der Stoff für mindestens ein Buch!“. Ja, nun habe ich aber weder Zeit noch Lust ein Buch zu schreiben. Zumal mir ja niemand garantieren kann, dass ich dadurch meinen inneren Frieden mit dem Thema mache.

Beim Themenfeld „Beruf Lehrer“ liegt die Sache so, dass ich schlicht der Meinung bin, dass eigentlich alles schon tausende Male gesagt und geschrieben worden ist. Es hat bisher nichts gebracht, also werden auch meine Worte nichts an den Tatsachen ändern.

Die vorherrschende Emotion bei beiden angesprochenen Themen ist bei mir Wut. Diese gründet sich vor allem darin, dass ich z.B. beim Lesen von Zeitungsartikeln immer das Gefühl habe mich vor irgend jemandem rechtfertigen zu müssen. Dafür dass ich Kinder habe aber trotzdem arbeiten gehe, dass ich die Kinder in Betreuungseinrichtungen habe, diese aber nicht voll ausnutze und nur Teilzeit arbeite. Dafür dass ich keine Putzfrau habe, obwohl ich sie mir wohl leisten könnte, und es bei mir deshalb auch nicht immer perfekt sauber ist. Dass ich Lehrerin und Beamtin geworden bin, dass ich mich aber trotzdem sehr oft überlastet fühle und nicht tiefentspannt aus den Ferien zurück komme. Ja, und noch für ganz viele Dinge mehr.

Es gibt in mir den inneren Drang „es richtig zu machen“. Habe ich das Gefühl jemand betrachtet den Weg, den ich gewählt habe als falsch, dann werde ich wütend. Ich fühle mich sehr leicht angegriffen. Das ist ganz einfach ein Zeichen von Unsicherheit. Ich weiß nicht, ob ich die Entscheidungen, die ich treffe, später noch als optimal ansehe. Und ich weiß nicht mal, ob sie in dem Moment in dem ich sie treffen, wirklich die beste Wahl sind. Aber das Problem ist ja, dass ich genau eine Perspektive habe, nämlich meine. Auch wenn ich versuche mit den Augen eines anderen zu sehen, bin es doch wieder nur ich, die sieht. Ich habe nur die Wahl zu entscheiden oder es nicht zu tun, was letztlich auch wieder eine Entscheidung ist.

Richtig oder falsch – einer Entscheidung eines der beiden Prädikate anzuheften bedeutet, ein Urteil zu fällen, zu verurteilen. Und da liegt wohl die eigentliche Krux. Ich fälle viel zu viele Urteile, vor allem über mich und meine Entscheidungen, aber auch über andere. Urteilen ist einfach und es beseitigt Unsicherheiten. Man positioniert sich und andere. Aber so absolut wie man sie gerne hätte sind diese Positionen nie. Wird man dann darauf hingewiesen, ist sie ganz schnell wieder da die Unsicherheit und dann die Wut darüber.

Der einzige Schluss, den ich an dieser Stelle, aus meiner Perspektive ziehen kann: Ich entscheide und dann lebe ich mit diesen Entscheidungen. Andere entscheiden und leben auch damit. Ja, und ich lebe auch mit den Entscheidungen anderer. Eine endgültige Sicherheit „es richtig gemacht zu haben“ gibt es nicht. Es gibt einzig und allein die gefällten Entscheidungen als sichere Basis. Sie sind Fakten mit denen ich mich auseinander setzen kann und muss. Ein richtig oder falsch muss stets relativ bleiben. Wenn ich Urteile vermeide, vermeide ich dadurch vielleicht auch, diesen inneren Rechtfertigungsdrang. Und wenn ich es vermeide mich zu rechtfertigen, dann verwindet die Wut vielleicht schneller, als wenn ich es tue. Also bleibt sie stumm an dieser Stelle, meine Wut. Und zu obigen Themen werde ich mich zumindest hier gar nicht erst äußern.

 

Hinterlasse einen Kommentar