Ich würde an dieser Stelle gerne unsere neue Kücheneinrichtung präsentieren, jedoch wurden die Wangen wegen eines Softwareproblems in der falschen Farbe geliefert. Deshalb ist Küche nun zwar funktionsfähig, aber in meinen Augen noch nicht ganz vorzeigbar. Laut Küchenbauer sollte das aber in drei Wochen der Fall sein.
Im Laufe der Umbauphase habe ich aber eine Lektion gelernt, die ich an dieser Stelle verschriftlichen möchte.
Da war zunächst der Estrichleger, der, ziemlich genau so alt wie ich, seit seinem 15. Lebensjahr in diesem Beruf arbeitet. Er hat mir damit grob 10 Jahre Berufserfahrung voraus (ok, wenn man davon absieht, dass ich selbst ab dem 17. Lebenjahr fast immer unterrichtet habe). Es war richtig harte Arbeit die alten Fliesen herauszubekommen und erforderte Fingerspitzengefühl und ein gutes Auge, den neuen Estrich perfekt glatt hinzubekommen. Im zur Seite stand ein Hilfsarbeiter, etwa zwanzig Jahre älter.
Ich habe beruflich und privat überwiegend mit Menschen zu tun, die schnell begreifen und geistig beweglich und kreativ sind. Dieser Hilfsarbeiter fragte bei so gut wie jeder Kleinigkeit nach, was er genau tun solle und der Estrichleger gab ebenso genaue Anweisungen, da die geistigen Fähigkeiten dieses Hilfsarbeiters deutlich beschränkt waren.
Gewissermaßen die gleich Konstellation ergab sich beim Küchenbauer un seinem Hilfsarbeiter. Bei quasi keinem Arbeitschritt ging der ältere Herr selbständig vor, sondern erfragte genau, was nun zu tun sei. Als er dann selbst die Bohrlöcher für die Hängeschränke ausmessen sollte, war er fast überfordert und rechnete alles noch einmal mit fragendem Ton laut aus: „Zweikommazwei und Zweikommazwei macht Vierkommavier?“
Damit mich niemand falsch versteht: In mir erwuchs in beiden Situationen eine tiefe Achtung vor diesen beiden Hilfsarbeitern. Obschon reich an Jahren und somit Lebenerfahrung, füllten sie ihre Rolle als Helfer gewissenhaft und zuverlässig aus, ihren Fähigkeiten entsprechend. Mit keiner Miene, keinem Ton stellten sie die Position ihrer deutlich jüngeren Vorgesetzen in Frage. Und ebenso respektvoll gaben die jüngeren Handwerker ihre Anweisungen. Geduldig wurden komplexere Arbeitsschritte auch mehrmals erläutert bis der jeweilige Helfer folgen konnte.
Und passend zu obigen Beobachtungen fand ich dann einen Zettel in meinem Briefkasten: „Die packet ist in bluemull olt papier“. Ein sehnlichst erwartetes Paket war in meiner Papiertonne zugestellt worden. Ich war sehr froh ob dieser Lösung, da ich so nicht quer durch die Stadt zum Paketshop musste. Zwei Tage später kam der Paketbote noch einmal vorbei und fragte in gebrochenem Deutsch persönlich nach, ob wir das Paket auch gefunden hätten. Auch dieser Dienstleister erfüllte seinen Job gewissenhaft und zuverlässig, trotz seiner offensichtlichem Probleme mit dem Deutschen.
Ich bin froh, dass all diese Menschen Arbeit haben und dankbar, dass sie ihre Jobs so gut machen.