
Die unverzichtbaren zeremonialen Utensilien.
Es hat einige Zeit gedauert bis ich auf den Kaffee kam. Meine erste Kaffeeerinnerung ist grauenvoll. Wir waren bei einer Bekannten meiner Mutter eingeladen und sie schenkte mir einfach einen Kaffee ein. Ich glaube ich war da etwa 9 (!) Jahre alt. In diesen dörflichen Kreisen war es Kindern nicht wirklich erlaubt eigene Wünsche und Befindlichkeiten zu äußern. Insbesondere Mädchen hatten am Kaffeetisch hübsch auszusehen und still zu sitzen. Allein bei der Erinnerung tut mir der Kopf ob der strengen Flechtfrisur wieder weh. Ich war nicht das Kind, das sich über solche Konventionen hinwegsetzte. So kam es also, dass mir keinen Laut des Protestes wegen des Kaffees über die Lippen kam. Ich versuchte ihn mit Kaffeesahne und Zucker in etwas für mich Trinkbares zu verwandeln und würgte das Zeug tapfer hinunter. Im Nachhinein muss ich sagen, dass der Kaffee vermutlich wirklich grauenvoll gewesen sein muss, nicht nur für mich. Denn auch heute noch kriege ich so manches saure Gebräu nicht runter.
Ersten Kontakt mit aus meiner Sicht trinkbarem Kaffee hatte ich auf meiner Studienreise vor dem Abitur. Es ging damals nach Rom. (Ja, es war eine Studienreise, denn wir mussten benotete Referate halten!) Mein langjähriger Kunstlehrer glänzte an jeder Ecke mit seinem unendlichen Wissen zu dem er stets noch eine Anekdote bereit hatte. Und an jeder Sehenswürdigkeit musste vor der kunstgeschichtlichen Einführung erst eine Bar aufgesucht werden und „un cafe“ getrunkten werden. Damals bekam man in meiner Heimat noch überall Filterkaffee mit Schlagsahne serviert, wenn man einen Capuccino bestellte. Der echte war da natürlich eine absolute Offenbarung, allerdings leider zuhause so gut wie nicht erhältlich. Also blieb ich erst mal beim schwarzen Tee, den meine Eltern literweise tranken.
Was mich letztlich dann zum Kaffee brachte war ein etwas kurioser Umstand. Naja, es war eigentlich nur ein „anderer Umstand“. In meiner zweiten Schwangerschaft hatte ich bis zur 11ten Woche mehr als 5 Kilo abgenommen (das waren mehr als 10% meiner Körpergewichts). Es reichte schon den Kühlschrank zu öffnen oder eine Bäckerei auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu passieren und ich übergab mich. Die Hyperemesis hatte mich auch bei Nr. 1 ereilt, aber lange nicht so schlimm. Letztlich blieb bei Nr. 2 also nur eine stationäre Infusionstherapie als Ausweg. Ich wurde mit einem Medikament gegen Reiseübelkeit behandelt, das mich zwar in einen fast komatösen Zustand schickte, aber dafür sorgte, dass ich, wenn ich wach war, wieder essen und trinken konnte. Lust darau,f etwas zu mir zu nehmen, hatte ich zwar nicht wirklich, weil fast jegliche Gerüche unangenehm blieben, aber ich schaffte es nicht weiter abzunehmen und konnte wieder nach Hause. Ich versuchte dann auch mit niedriger dosiertem Medikament wieder zu arbeiten und bei der Gelegenheit ging ein Kollege mit seiner Kaffeetasse an mir vorbei. Wie eine Ratte in Hameln tigerte ich, noch ehe ich es mich versah, hinter her. Der Kaffee roch herrlich! Ab diesem Tag war es um mich geschehen. Natürlich übertrieb ich es nicht mit dem Konsum, schließlich war ich ja schwanger, aber das Koffein half meinen Kreislauf zu stabilisieren und in Kombination mit dem Kaffee blieb auch ziemlich viel Milch und auch feste Nahrung in meinem Magen. Ich legte wieder brav an Gewicht zu und brachte dann ein propperes Mädel von 3660g zur Welt. Sie ist ein ziemlicher Wirbelwind. Ob da wohl das Koffein schuld ist? 😉
In der letzten Schwangerschaft, der eine späte Fehlgeburt vorausging, wollte ich übrigens sicherheitshalber wieder auf den Kaffee verzichten. Keine Chance. Die Tabletten gegen die Übelkeit (die schlimmer als je zu vor war) beamten meinen Kreislauf weg. Mit Kaffee ging es einigermaßen. Ich hatte ja schon zwei Kinder zu versorgen und war beruftätig. Da war jedes Mittel recht, das half. Tja, auch die Kleine ist sehr lebhaft 😉
Ja, so kam ich zwar nicht durch die durchwachten Nächte, doch aber durch die Kinder zum Kaffee.
Aber das ist noch nicht alle das, was zu meiner Kaffeezeremonie führte.
Einmal auf den Kaffee gekommen, erinnerte ich mich bei seinem Geruch jeden Morgen an meinen Großvater väterlicherseits, wie er in seinem schwarzen Nachthemd mit der asiatischen Stickerei in der Küche saß und Kaffee mit der Handmühle mahlte. Also wünschte ich mir bei nächster Gelegenheit so ein Teil. Mein Vater betonte, wie schwer es gewesen sei, eine aufzutreiben. Sowas sei ja völlig aus der Mode! Wenn ich die Zeit hatte, mahlte auch ich nun meine Bohnen jeden Tag frisch. Das war dann irgendwann eingeschlafen, aber vor ein paar Tagen habe ich die Mühle wieder aus dem Keller geholt.
Zunächst gab es milden Filterkaffee, aufgebrüht im Porzellanfilter. Auch bei diesem Weihnachtswunsch wurde mit den Augen gerollt, aber da mein Mann keinerlei Heißgetränke außer Kakao zu sich nimmt, schien mir eine Kaffeemaschine absolut überflüssig.
Irgendwann überlegte ich mir, als ich öfter mal unterwegs Capuccino getrunken hatte, ob ich nicht doch eine Maschine bräuchte. Eine die auch Milchschaum kann. Aber statt dessen entschied ich mich für eine Edelstahl-Caffettiera. Zum Aufschäumen hatte ich unterschiedliche Systeme in Gebrauch. Letztlich landete ich hier bei der Glaskanne (Milch in der Microwelle erhitzbar) mit Schaumsieb (oder wie auch immer man das nennt).
Die Capuccinoportion war dann nach einer Weile nicht mehr genug. Statt eines Frühstücks musste eine große, eine richtig große Latte macchiato her. Und da sind wir bei meinem anderen Opa. Der hatte nämlich immer eine Halblitertassen für seinen Kaffee. Meine fasst 550 ml. Und Opa zeigt mir, wie man mit einer Handzentrifuge die Sahne aus der Milch bekommt und sorgte so für meine allererste Begegnung mit Milchschaum.
Letztes Utensil für eine gelungene Zeremonie ist der Strohhalmlöffel, mit dem zuerst genüsslich der perfekte Milchschaum gelöffelt und dann der Rest langsam getrunken wird.
Mittlerweile ist es innerfamiliär ein ungeschriebenes Gesetz, dass ich sobald mein Kaffee gemahlen, gekocht und die Milch erhitzt und geschäumt ist, nicht mehr gestört werde, bis die Latte verzehrt ist. Da will ich nicht angequatscht werden und schon gar nicht zu Botengängen („ich brauche ein Müslischälchen“) aufgefordert werden. Mein Mann achtet, so er in der Nähe ist, sehr auf die Berücksichtigung meines Schonraumes. Ich bin zwar da, aber darf mich nur um mich kümmern.
Und dann sitze ich da und genieße meinen handgemachten Kaffee, subtil eingehüllt in die Erinnerung an meine zwei tollen Opas (die Omas gibt es noch!), lese oder tue einfach sonst gar nichts. Herrlich!